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Vonkie mag ihren Opa, aber jetzt soll sie gleich eine Woche bei ihm bleiben, weil ihre Eltern Zeit für sich brauchen. Das findet Vonkie sehr beunruhigend. Mama und Papa wollen sich doch nicht etwa trennen? Außerdem lebt Opa mitten im Nirgendwo. Sein Bauernhof ist rundherum umgeben von Feldern, die von kleinen Kanälen durchzogen sind. Und ob mit dem etwa gleichaltrigen Großcousin Sven vom Nachbarhof etwas anzufangen ist, muss sich erst noch erweisen.
Immerhin gelingt es Vonkie nach und nach, ihrem sonst sehr wortkargen Opa Geschichten von früher aus der Nase zu ziehen. Aber gerade wenn es um seinen damaligen Lieblingsbruder "Beule" geht, den er schon seit Jahrzehnten weder gesehen noch gesprochen hat, zeigt sich Opa stur. Nicht umsonst lautet sein Spitzname "Eisen".
Aber stur sein kann Vonkie auch, und so bohrt sie immer weiter, bis sie einem Familiengeheimnis auf die Spur kommt, von dem noch nicht einmal ihre Eltern wussten. Und Opas Verbot, die unweit gelegene alte Mühle aufzusuchen, steigert ihre Neugier nur umso mehr …
Im Original bereits 2016 erschienen, hat Mirjam Pressler auch in ihrer flüssig-eingängigen Übersetzung von "Das Abrakadabra der Fische" von Simon van der Geest einmal mehr genau den richtigen Ton gefunden.
Die Rahmenhandlung in der Gegenwart wird aus der Ich-Perspektive Vonkies erzählt. Vonkies Sorge, dass sich ihre Eltern trennen könnten, auch und gerade weil sie nicht vor Ort ist, um zu vermitteln, ist zwar ein zentrales, aber nicht ein das Buch durchgängig bestimmendes Thema. Vermögen die anekdotenreichen Kapiteleinschübe, in denen Opa "Eisen" von früher erzählt, Vonkie anfangs nur wenig von ihrer Sorge abzulenken, nehmen sie allmählich immer mehr Raum in ihren Überlegungen ein.
Sehr geschickt versteht es der Autor, aus den anfänglichen Ablenkungen des Opas eine weitere Variation von Trennung, diesmal einer radikal vollzogenen Trennung zwischen einstigen Lieblingsbrüdern einzuführen, die auch Krankheit, Tod, Transvestismus und aufs Äußerte verletzte Gefühle ins Spiel bringen. Dieses der Realität entlehnte "Erwachsenengetue" ist alles Andere als kindlich, aber dem Autor gelingt es, all das kindgemäß auf den Punkt zu bringen. Das, geht es um "Beule", beinharte sich Ausschweigen und Verleugnen des Opas wird zu einer weiteren Herausforderung der auf Vermittlung bedachten Vonkie, die aus bekannten Gründen Trennungen jedweder Art nicht aushalten kann … und will.
Und auch hier bleibt der Autor realistisch und setzt dem Wollen der 12-jährigen Vonkie Grenzen, wiewohl Vonkies widerspenstige Findigkeit nicht unterschätzt werden darf.
"Das Abrakadabra der Fische" ist ein turbulentes, überraschungsreiches Buch, das seine Heldin bis zum Finale Situationskomisches und Aberwitziges, Trauriges und am Ende sehr Berührendes durchleben lässt.
Weitere Besprechungen zu Werken von Simon van der Geest siehe:
Simon van der Geest: Krasshüpfer (2016)
Simon van der Geest: Das geheime Logbuch, das magnetische Mädchen und eine fast brillante Erfindung (2017)
Simon van der Geest: Das Abrakadabra der Fische (2019)